Heutzutage ist ein Arzt in der Schweiz bisweilen gezwungen, seinem Patienten zu sagen, dass es zwar ein Medikament gibt, das ihn heilen könnte, er es ihm jedoch aufgrund des hohen Preises nicht verschreiben kann. Um den Ruin des Gesundheitssystems zu verhindern, entwickeln die Staaten Strategien, die festlegen, für welche Patienten eine Behandlung mit bestimmten Medikamenten infrage kommt.
10 % aller Patienten, die an schweren oder chronischen Krankheiten leiden, machen mehr als ¾ der Kosten für die Krankenversicherung aus. In einem System, in dem Privatkrankenkassen dominieren, kommt es zwangsläufig zu einer Jagd auf „gute Risiken”, die auf Kosten der Versicherten geht. In diesem Kontext, der schon durch den Anstieg der Prämien belastet wird, ist das Bundesamt für Gesundheit verpflichtet, für die kostenaufwändigsten Behandlungen einen Teil des von der Pharmaindustrie festgelegten Medikamentenpreises zu übernehmen. So gilt beispielsweise die Kassenpflicht für die von Gilead hergestellten Medikamente Solvadi und Harvoni nur für Patienten, die an einer fortgeschrittenen Lebererkrankung leiden (Fibroses F3 und F4). Von den 80 000 Personen, die in der Schweiz an Hepatitis C erkrankt sind, haben nur Patienten mit einer fortgeschrittenen Erkrankung Anspruch auf Behandlung und Heilung.
Folglich tragen die Kranken und die Gesamtheit der Versicherten die schwerwiegenden Konsequenzen der von der Pharmaindustrie vorgegebenen Preispolitik, da das Gesundheitssystem nicht in der Lage ist, für derartige Kosten aufzukommen.

Was tut die Regierung?

Auf Anraten der Arzneimittelkommission entscheidet das Bundesamt für Gesundheit, ein Medikament in die Spezialitätenliste aufzunehmen, und legt den maximalen Rückerstattungsbetrag dafür fest.
Der gesetzlich gewährte Patentschutz für therapeutische Innovationen beträgt 20 Jahre und während dieses Zeitraums darf kein kostengünstiges Generikum vermarktet werden. Die Regierung setzt zur Verfügung stehende Instrumente wie Zwangslizensen nicht ein, um sich dem zu widersetzen. Dank dieser gesetzlichen Massnahme ist es möglich, einen Patentschutz temporär auszusetzen, um zum Schutz des öffentlichen Gesundheitswesens den Markt für die Konkurrenz oder den Import von Generika zu öffnen und eine Preissenkung herbeizuführen.
Obwohl sich die Schweiz lange Zeit gegen den Patentschutz von pharmazeutischen Erzeugnissen gewehrt hat (PDF, 40 KB), setzt sie sich heutzutage nachdrücklich dafür ein. Folglich will die Schweiz Schwellenländer wie Indien daran hindern, dem Vorbild der Baseler Chemieindustrie zu folgen. Der Patentschutz für pharmazeutische Produkte wurde in der Schweiz erst in den 1970er Jahren eingeführt.

Patente sind nicht unantastbar 2015 hatte Ärzte der Welt das Patent auf den von Gilead entwickelten Wirkstoff Sofosbuvir angefochten. Das Europäische Patentamt entschied nun Anfang Oktober 2016, dass das Patent, dessen chemische Formel exakt den Wirkstoff Sofosbuvir abdeckt, auf dem das von Gilead vertriebene Medikament Sovaldi basiert, in der ursprünglichen Form nicht aufrechterhalten werden kann. Ärzte der Welt freut sich über diesen Beschluss und fühlt sich bestärkt in seinem Engagement für eine neue Preispolitik für Medikamente und für die Entwicklung einer Alternative zum Patentmodell, um die Forschung und Entwicklung neuer Medikamente zu finanzieren.